Da lag es wieder in all seiner blitzenden Pracht - korrekt im rechten Winkel - auf dem Frühstücksbrett. Und wartete auf seidenweiche Butter, 4-Frucht-Marmelade und...
Er wagte es nicht einmal zu denken.
Heute würde es etwas anderes zu schneiden bekommen. Für diesen Moment hatte Rolf vorgesorgt. Klebeband und Seil lagen unter der Morgenzeitung bereit. Es fehlten nur noch Elsbeth und das alles entscheidende, unscheinbare Stichwort. Aber darauf brauchte Rolf nicht zu warten. Sicher wie das Amen in der Kirche würde SIE ihr Brot mit Butter bestreichen, Marmelade darauf häufen und sie exakt bis an den Rand des Rosinenstutens verstreichen. Dann erst würde die Frage nach der unausweichlichen Scheibe Jagdwurst folgen, die ihm nun seit elfeinhalb Jahren das Frühstück im Speziellen und sein Leben im Allgemeinen zur Hölle machte.
Viele Stunden hatte er ihr zu erklären versucht, welche Seelenqualen diese Scheibe Wurst in seinem Inneren entfachte. Sie dagegen schwor Stein und Bein, dass nur diese erlesene Kombination kulinarischer Hochgenüsse ihrer Konzentration in höchstem Maße förderlich sei.
Nun – heute würde sie zu letzten Mal Rosinenstuten mit seidenweicher Butter, 4-Frucht-Marmelade und Jagdwurst zum Frühstück essen. Ja, ja, ja, sie würde überhaupt zum letzten Mal...
Aber – Rolf saß in höchster Anspannung am Tisch, als sich seine Augen vor Erstaunen weiteten. Elsbeth stürzte in voller Montur herein, riss das Messer vom Frühstücksbrett - wobei sie das Jagdwurst-Kostüm nur leicht behinderte - klebte Rolfs Arm mit dem bereitliegenden Klebeband am Tisch fest und schnitt in einer einzigen fließenden Bewegung eine wunderbar hauchdünne, kreisrunde Scheibe Jagdwurst aus dem entblößten Unterarm.
Ungläubig starrte er zwischen seinem geschundenen Arm und der überlebensgroßen Jagdwurst hin und her, rutschte dann langsam in Ohnmacht versinkend vom Stuhl. Sein letzter Gedanke galt Elsbeth. Mit Bewunderung in der brechenden Stimme hauchte er: "Es ist wirklich was dran, an deiner Mischung ..."